Heute kommen wir zu einem sehr sensiblen Thema: in keinem anderen Berufsfeld sind Selbstmorde so verbreitet wie bei Tierärzten – das zeigt eine amerikanische Studie. Für Deutschland fehlt es noch an wissenschaftlich fundierten Zahlen, aber auch hier scheint diese Berufsgruppe besonders betroffen zu sein. Welche Gründe dahinterstecken, mag individuell sehr verschieden sein und doch lassen sich leider Gemeinsamkeiten finden, die dazu beitragen, dass Veterinärmediziner die Lebenslust verlieren.
Was macht Tierärzten das Leben schwer?
Einer der häufigsten Faktoren ist das hohe Stresslevel. Dieses beginnt oft schon im Tiermedizinstudium und nimmt im Berufsleben weiter zu. Lange Arbeitszeiten, ständige Erreichbarkeit und/oder Schichtdienst in der Tierarztpraxis machen es schwer, Familie, Privatleben und Beruf befriedigend zu vereinen. Wenn die sogenannte „Work-Life-Balance“ von Tierärzten nicht stimmt, führt dies mittel- und langfristig zu Frustration.
Veterinärmediziner sind zudem meist Menschen mit einer überdurchschnittlichen Empathie-Fähigkeit für Mensch und Tier – das ist Fluch und Segen zugleich. Der hohe Erwartungsdruck der Klienten und an sich selbst, macht es erfahrungsgemäß nicht besser. Genauso wie Enttäuschung über Therapien, die nicht wie gewünscht anschlagen und das Abschätzen, wann ein Zeitpunkt erreicht ist, um ein Tier von seinem Leid zu erlösen? Tierärzte müssen sich mit dem Sterben eines Patienten häufiger auseinandersetzen als Humanmediziner. Zusätzlich bedarf es der seelischen Fürsorge für die Tierbesitzer, die oft sämtliche Hoffnung in den Veterinärmediziner setzen, um ihren „Schatz“ zu retten. Der Spagat von Wirtschaftlichkeit und Tierwohl ist ebenfalls ein Grund, der zu hohem Belastungsstress führen kann. Dies alles muss ein guter Tierarzt in sein Arbeiten miteinfließen lassen, selbstkritisch sein und gleichzeitig die Ambivalenz aushalten können.
In den letzten Jahren setzt außerdem ein unerfreulicher Trend Tierärzten deutlich zu: „Cybermobbing“ bei Tierärzten oder „Doctor-Bashing“ im Internet, beziehungsweise in sozialen Netzwerken wird immer häufiger. Unzufriedene Patienten und selbsterklärte Experten lassen hier teils anonym einen Shitstorm auf Mediziner los, der oft als Rufmord bezeichnet werden kann. Der Tonfall ist rau im Netz, öffentlich werden Tierärzte übelst diffamiert – genaue Details interessieren dabei meist nicht und selbst wenn an den Vorwürfen nichts der Wahrheit entspricht, ein wenig Schmutz bleibt immer hängen. Das kann Existenzen zerstören und die Freude an der Arbeit stückweise völlig zu Nichte machen.
Woran erkennt man, dass man als Tierarzt suizidgefährdet ist?
Im Arbeitsalltag und im täglichen „Hamsterrad“ ist es teils schwierig für sich selbst zu erkennen, wie ausgebrannt man bereits ist. Trotzdem gibt es verschiedene Faktoren, die darauf hindeuten können, dass Sie gefährdet sind einen Burn-Out zu erleiden: Das Gefühl „ausgebrannt“ zu sein und fehlende Freude an der eigenen Arbeit. Natürlich ist nicht jeder Arbeitstag nur schön und freudig, aber wenn Sie merken, dass es Ihnen immer schwerer fällt sich zu motivieren überhaupt zu arbeiten, dann sollten Sie sich genauer beobachten und versuchen persönlichen Stress und Überlastung abzubauen.
Konsumieren Sie mehr Alkohol oder Medikamente als Ihnen eigentlich guttut? Testen Sie sich selbst, können Sie ohne Probleme auf Rauschmittel verzichten oder ist die Abhängigkeit bereits Teil Ihres Alltags?
Sind Sie leicht reizbar und immer wieder sehr ungeduldig? Fällt es Ihnen zunehmend schwer, sich in andere hineinzuversetzen, auf die Gefühle anderer Rücksicht zu nehmen oder reagieren Sie oft zynisch? Übergehen Sie Ihre eigenen Launen nicht einfach, sondern hinterfragen Sie sich selbst, ob es sich wirklich nur um eine „vorübergehende“ Phase handelt oder wie lange sich Unzufriedenheit und Frust schon bei Ihnen aufbauen.
Hilfe für selbstmordgefährdete Tierärzte
Selbsterkenntnis hilft sich helfen zu lassen. Reden Sie über Ihre Probleme: mit Freunden, Familie oder Fachpersonen. Wenn Sie oder ein Angehöriger unter Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden, sollten Sie sich Hilfe bei Experten holen, die Ihnen Wege aus dieser Situation aufzeigen. Die Telefonseelsorge ist beispielsweise kostenlos, anonym und 24 Stunden lang unter den Telefonnummern 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 erreichbar.
Eine Übersicht über Beratungsstellen für Menschen mit Suizidgedanken finden Sie auch auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
In unserem Artikel „Selbstfürsorge und Erholung im Sommer der Pandemiezeit“ haben wir bereits versucht Ihnen kleine Tipps zu geben, wie Sie ihr seelisches Gleichgewicht gerade in der aktuellen Situation verbessern können. Nun hält diese Zeit schon lange an und wird uns voraussichtlich noch weiter begleiten, aber es gibt Dinge, die in vielen Situationen helfen können, unser Wohlbefinden zu verbessern:
- Tun Sie sich etwas Gutes – nehmen Sie sich Auszeiten und nutzen Sie diese für sich ganz persönlich. Tierärzte haben zwar aus beruflichen Gründen häufig Bewegung an der frischen Luft, aber gönnen Sie sich zudem einen Spaziergang oder Sport in der Natur, bei dem Sie den Kopf freibekommen. Versuchen Sie die beruflichen Gedanken beiseite zu schieben, lauschen Sie auf die Geräusche von Flora und Fauna, atmen Sie bewusst die frische Luft (wenn möglich ohne Maske) und erfreuen Sie sich an Kleinigkeiten.
- Pflegen Sie Ihre Beziehungen: Auch wenn man müde und abgeschlagen ist und sich oft gerne nach einem anstrengenden Tag einfach verkriechen möchte, hilft es sich mit lieben Menschen zu verabreden, zu reden und zu lachen. Covid-19 und die Maßnahmen dagegen haben uns teils isoliert und Kontakte verweigert. Aber Spaziergänge mit einem guten Freund, Partner und auch Haustier an der frischen Luft sind möglich und helfen unserem Seelenheil!
- Setzen Sie Grenzen: Bleiben Sie freundlich, haben Sie Verständnis für die Anspannung bei Kollegen oder Patienten, aber fordern Sie auch für sich selbst Respekt, Fairness und zeigen Sie auf, wann Ihre persönliche Grenze bei Leistung und Gefühlen erreicht ist. Überdies schützen Sie sich auch vor Ihrem eigenen Perfektionismus.
- Konzentrieren Sie sich auf Positives: Wir Menschen tendieren dazu, uns Kritik und Probleme wesentlich mehr zu Herzen zu nehmen als Lob oder Anerkennung. Gerade Tierärzte werten mangelnden Therapiererfolg oft als persönliches Versagen und grübeln lang darüber, was Sie hätten besser machen können. Versuchen Sie diese negativen Gedanken zu stoppen und erfreuen Sie sich ernsthaft auch an kleinen Erfolgen. Lassen Sie die Dankbarkeit von Patienten und Kunden tatsächlich an Ihr Herz, statt es als Selbstverständlichkeit wegzuwischen.
In den USA wurde das Problem von Suizid bei Tierärzten bereits öffentlicher angegangen. Hier haben soziale Netzwerke auch mal eine gute Funktion übernommen und Aufmerksamkeit auf ein Thema gelenkt, das wichtig ist und Hilfen aufzeigt. Eine bekannte Initiative nennt sich „Not One More Vet“ (https://www.nomv.org/). Dort finden Sie Informationen zum Thema, aber auch gezielte Hilfsangebote. Die Initiative ist auf Spenden angewiesen und inBehandlung hat gerne für diesen Zweck gespendet. Denn unsere Tierärzte liegen uns sehr am Herzen, wir möchten, dass Ihnen Ihr Beruf Spaß macht und Sie auch privat glücklich sind oder es wieder werden.
inBehandlung – Ihr Helfer im Praxisalltag
Ihre Tierarzt-Software von inBehandlung möchte Sie dabei unterstützen, Stress im Praxisalltag zu reduzieren. Organisation und Struktur helfen den Überblick zu behalten und Ihre Arbeit effizient, und ohne negative Hektik, zu meistern. Wir helfen Ihnen dabei gerne.